„Dreisamstadion – ein Name der niemals vergeht“. So lautet ein beliebter Slogan in der Fanszene des SC Freiburg. Aber es stellt sich die Frage: Seit wann gibt es eigentlich diesen niemals vergänglichen Namen?
Als der SC Freiburg im September 1955 den Spielbetrieb auf seinem damals neu erstellten Sportplatz am Ufer des Flusses Dreisam im Freiburger Osten aufnahm[1], hatte die neue Spielstätte zunächst mehrere Jahre lang überhaupt keine spezielle Bezeichnung. Man ging als Spieler, Mitglied oder Anhänger des Vereins entweder „zum Sportclub“ oder auf den „SC-Platz“. Von „Dreisamstadion“ sprach in den 1950er Jahren und bis weit in die 1960er Jahre hinein niemand – zumal die Spielstätte des SC damals ohnehin so gut wie keine Merkmale von einem „Stadion“ im eigentlichen Sinn aufzuweisen hatte.[2]
Anfang Juni 1967 wurde beim SC Freiburg ein neues Vorstandsgremium gewählt, an dessen Spitze nun der damals erst 23-jährige Rechtsreferendar Gundolf Fleischer stand.[3] Fleischer hatte beim SC zuvor fünf Jahre lang das Amt des Jugendleiters ausübt, nachdem er aufgrund einer schweren Verletzung seine aktive Spielerlaufbahn hatte aufgeben müssen. In die schließlich bis 1971 reichende Amtszeit des neuen, jungen Vorstandsvorsitzenden lassen sich sowohl die Benennung des bis dahin unbenannten SC-Sportplatzes als auch die ersten Aktivitäten, dieser Spielstätte einen Stadioncharakter zu verleihen, verorten.
Der neue SC-Vorstand wollte den Verein – 1965 war man zum ersten Mal Meister in der 1. Amateurliga Südbaden geworden – weiter voranbringen. Der Ausbau der Spielstätte an der Dreisam war dabei ein wichtiger Schritt. Zum Beschluss, beim SC-Platz zum Namen „Dreisamstadion“ zu wechseln, kam es im Herbst 1967. Der SC-Vorstand orientierte sich dabei offenbar an der Ortsbezeichnung „Möslestadion“ des Lokalrivalen Freiburger FC. Gundolf Fleischer erinnert sich: „Man hat die Lokalität bezeichnen wollen. Und so wie es das Möslestadion gab im Möslepark als Ortsbezeichnung so ist dann bei uns der Gedanke entstanden, ziemlich spontan, vom Ältestenrat ausdrücklich befürwortet, einstimmig so verabschiedet, weil die Dreisam bei uns vorbeifließt, dass wir das Dreisamstadion nennen wollen.“[4] Er selbst, so Fleischer, habe dies den SC-Gremien so vorgeschlagen und man habe sich schnell auf diese Bezeichnung einigen können.[5]
Bei der Neubenennung der SC-Spielstätte spielte offenbar der Aspekt einer besseren Vermarktungsmöglichkeit eine nicht geringe Rolle. Man erhoffte sich deutlich bessere Werbeeffekte. „Insofern hat´s Merkantile auch eine Rolle gespielt“, so Fleischer.[6] Aktivitäten wie die Plakatierung bei Spieltagen oder die Öffentlichkeit- und Pressearbeit waren mit einem griffigen Stadionnamen weitaus erfolgsversprechender zu gestalten.
Am 17. Oktober 1967 wurde der neue Name erstmals der Freiburger Öffentlichkeit im Rahmen einer Pressekonferenz im Lokal „Lindenmatte“ in Littenweiler präsentiert, worüber die „Badische Zeitung“ tags darauf vergleichsweise unspektakulär berichtete. Man wolle, so war in der Presse zu lesen, auf der neu benannten Spielstätte die Platzbeleuchtung verbessern und vor allem vermehrt „Reklameflächen“ anbringen.[7] Auch der Sport-Club berichtete daraufhin seinen Mitgliedern, dass man seine „Platzanlage in Zukunft ‚Dreisamstadion‘ nennen“ wolle.[8] Erstmals tauchte der Stadionnamen im November 1967 dann im Schriftbild der monatlich erscheinenden SC-Vereinszeitschrift „Rundschau“ auf: [9] das „Dreisamstadion“ war beim SC eingewechselt worden – um bis in die Gegenwart auf dem Platz zu bleiben. Niemand konnte damals ahnen, welch enorme identifikatorische Bedeutung dieser Stadionname für den Sport-Club Freiburg, für seine Anhänger:innen und Fans in der Folgezeit bekommen sollte.
Insgesamt gewinnt man den Eindruck, dass der neue Platzname seinerzeit ohne viel Aufhebens eingeführt wurde. Ob es noch eine besondere Veranstaltung oder sogar eine Art Neueinweihung gab, ist fraglich. Die Saison 1967/1968, in der die Neubenennung erfolgte, entwickelte sich jedenfalls für den SC Freiburg in sportlicher Hinsicht erneut ausgesprochen erfolgreich. Zum zweiten Mal errang der Verein mit seiner Mannschaft um Trainer Hans Diehl die Meisterschaft in der 1. Amateurliga Südbaden. Gundolf Fleischer kann sich erinnern, dass zum Ende der Saison bei einer Feier mit Spielerverabschiedung zumindest noch einmal Zeit für eine ausdrückliche Erwähnung der Stadion-Neubenennung war.[10] Mit der Errichtung einer ersten überdachten Tribüne für fast 500 Zuschauer:innen, deren Planung ebenfalls bis in den Herbst 1967 zurückreichte, fand die Bezeichnung „Dreisamstadion“ dann im Jahr 1970 zudem seine architektonisches Entsprechung: dem vormaligen Sportplatz konnte man nunmehr tatsächlich eine gewisse Stadionähnlichkeit zusprechen.
1967: der Beginn der Studentenrevolten, die Beatles bringen „Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band“ heraus, das erste „Lustige Taschenbuch“ erscheint – und der Fußballplatz des SC Freiburg an der Dreisam erhält einen Namen, „der niemals vergeht“. Aufregende Zeiten.
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[1] Noch immer ist vielfach zu lesen, der Bezug der neuen SC-Spielstätte wäre 1954 gewesen. Diese ebenso falsche wie sich über mehrere Jahre verfestigte Information geht m.E. auf die ältere Literatur zur SC-Geschichte aus den 1990er Jahren zurück, sowie v.a. auf das SC-Jubiläumsbuch „100 Jahre 90 Minuten“ aus dem Jahr 2004, in dem die falsche Jahreszahl erneut präsentiert wurde. Korrigiert wurde dies erst ein Jahrzehnt später – und zwar noch rechtzeitig, bevor verschiedene Aktionen zum – eben dann falsch datierten – 60-jährigen Jubiläum in Gang gesetzt worden wären. Siehe: Die Geschichte des Dreisamstadions (Interview von nordtribüne.org mit Uwe Schellinger), verfügbar über: http://www.xn--nordtribne-heb.org/essays/2014/08/die-geschichte-des-dreisamstadions [Abruf: 4.9.2021]; dann auch SC Freiburg e.V. (Hg.): Elf Jahrzehnte SC Freiburg, Freiburg i. Br. 2004, „1954–1964“ sowie Uwe Schellinger: 1955: Das Ende der Heimatlosigkeit, in: Heimspiel. Das Stadionmagazin der SC Freiburg, 31.8.2019, S. 29. Das erste Pflichtspiel auf dem neuen SC-Platz fand am 4.9.1955 statt: ein 0:2 gegen den Offenburger FV.
[2] Siehe allgemein Karin Stober: Historische Sportstätten in Baden-Württemberg, Schorndorf 2004; zu Fußballstadien: Werner Skrentny (Hg.): Das große Buch der deutschen Fußballstadien, Göttingen Neuaufl. 2010; Werner Skrentny (Hg.): Es war einmal ein Stadion…: Verschwundene Kultstätten des Fußballs, Göttingen 2015.
[3] Gundolf Fleischer stammte ursprünglich aus dem sächsischen Wechselburg und war in der Nachkriegszeit mit seiner Familien nach Südbaden gekommen. Schon als Jugendlicher schloss er sich dem SC Freiburg an. Siehe Interview von Uwe Schellinger und Markus Knobloch mit Gundolf Fleischer am 1.9.2021.
[4] Interview von Uwe Schellinger und Markus Knobloch mit Gundolf Fleischer am 1.9.2021.
[5] Allerdings liegen zur endgültigen Verifizierung keine Vorstandsprotokolle aus dieser Zeit mehr vor bzw. sie konnten bislang nicht aufgefunden werden.
[6] Interview von Uwe Schellinger und Markus Knobloch mit Gundolf Fleischer am 1.9.2021.
[7] Badische Zeitung vom 18.10.1967, S. 13.
[8] Rundschau des SC Freiburg e.V, November 1967 (Archiv des SC Freiburg e.V.), S. 5.
[9] Rundschau des SC Freiburg e.V, November 1967 (Archiv des SC Freiburg e.V.).
[10] Interview von Uwe Schellinger und Markus Knobloch mit Gundolf Fleischer am 1.9.2021.
ÜBER DEN AUTOR:
Der Historiker Uwe Schellinger betreut seit 2011 das Vereinsarchiv des SC Freiburg e.V. und vermittelt in verschiedenen Formaten die Vereinsgeschichte des SC.