Egal, ob freitagabends, samstag- oder sonntagmittags, bei strahlendem Sonnenschein, kräftigem Regenschauer oder im ungemütlichen Schneetreiben, montagsfrüh direkt das Thema am Arbeitsplatz oder auf dem Pausenhof in der Schule und zugleich die Vorfreude auf das nächste Mal wie ein kleines Kind an Weihnachten. Es ist über Jahre für tausende Menschen aus der Region Südbaden und verschiedenste Generationen eine selbstverständliche Gewohnheit, eher noch ein Ritual geworden: Der Besuch am Wochenende in der Schwarzwaldstraße 193.

Auch meine Wenigkeit hatte die Ehre zahlreichen Spielen im Dreisamstadion beiwohnen zu dürfen. Wie bestimmt viele der hier Lesenden habe ich hier ebenso eine Menge erlebt und könnte vermutlich ein ganzes Buch voller Geschichten rund um besagten Ort schreiben, bei welchen ich bei jeder Einzelnen eine Gänsehaut am ganzen Körper hätte. Wie also das alles möglichst nachvollziehbar in nur einen Text packen? Ich will es mal so versuchen, indem ich mich an den Gefühlen orientiere, die die diese Vielzahl an Erinnerungen ans Dreisamstadion in mir ausgelöst haben und mich auch heute immer noch prägen: Einsatz, Stolz und Leidensfähigkeit.

Letztere wurde mir quasi von der ersten Stunde an gelehrt. Zum Einstand musste ich eine herbe 0:6-Klatsche gegen Werder Bremen an einem verschneiten Samstagnachmittag vom 4. Dezember 2004 auf der Gegengerade auf dem Schoß meines Großvaters mitansehen. Woher ich das noch so genau weiß? Nunja, zum einen ist diese Niederlage die höchste, die der Sport-Club auf heimischem Rasen in seiner Bundesligageschichte hinnehmen musste – im November 2009 ging man erneut mit 0:6 als Verlierer vom Platz und auch damals hieß der Gegner Bremen, aber dies nur am Rande – und zum anderen gab es damals weitaus mehr als nur den denkwürdigen Ausgang der Partie, wodurch der Tag für mich bis heute und wahrscheinlich für immer unvergessen bleibt.

Im gleichen Jahr begann ich selbst im Verein Fußball zu spielen und so kam in jenem Zuge auch ein erstes Interesse an diesem Sport auf professioneller Ebene auf. Das dann erstmalig live erleben zu dürfen war natürlich ein absolutes Highlight. Darüber hinaus ist es längst kein Geheimnis mehr, dass die Atmosphäre im Dreisamstadion eine ganz besondere ist. Das war auch vor knapp 17 Jahren nicht anders. Bis heute kann ich mich gut daran erinnern, wie die Nordtribüne über 90 Minuten die chancenlos unterlegenen Riether, Iaschvilli und Antar unermüdlich nach vorne peitschte, was mich damals schon als Kindergartenkind sehr beeindruckte. Aus heutiger Sicht kann ich mir den Antrieb für diese bedingungslose Unterstützung vor allem mit dem Stolz auf diesen Fußballverein erklären. Und irgendwie musste es wohl so sein, dass mich dieser Stolz an jenem Tag ebenso packte und mich bis heute nicht mehr loslässt. Wann genau es damals um mich geschehen war, kann ich nicht sagen. Spätestens aber als mir im Nachgang des Spiels mein Opa noch eine SC-Kappe gekauft hat, war der Weg für die Liebe zum Sport-Club und somit auch zum Dreisamstadion geebnet. Über die gesamte Grundschulzeit hinweg war diese Kappe auf der Straße, auf dem Sportplatz und natürlich auch bei so manchem SC-Heimspiel mein treuer Begleiter und hat selbstverständlich auch heute noch als Andenken einen Platz bei mir im Kleiderschrank.

Irgendwann war ich dann aus dem Alter raus, in dem man noch mit einer Vereinskappe auf dem Kopf rumrennt und dennoch blieb diese kindliche Freude in mir, die sich beim Überstreifen des Schals am Spieltag oder beim Anblick der nostalgischen Flutlichter des Stadions von außen immer wieder aufs Neue breitmachte. Hochgerechnet waren es insgesamt um die 210 Pflichtspiele des Sport-Clubs, die ich bis zum abrupten Ende nach dem 3:1 Erfolg gegen Union Berlin vor 16 Monaten live im Dreisamstadion verfolgt habe.

Um nochmals auf die eingangs geschilderten Emotionen, die ich mit diesem Ort verbinde, zurückzukommen und auch den Einsatz für den Verein und seine Spielstätte in den Fokus zu nehmen, will ich abschließend noch eine Story von 2015 zum Besten geben. Ich stand schon ein paar Jährchen auf der Nordtribüne, in der Fanszene war ich damals allerdings erst seit kurzem aktiv. Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des Dreisamstadions wurde im September zum Spiel gegen Arminia Bielefeld auf der Nordtribüne eine Chorografie gezeigt. Es war für mich damals die erste wirklich große Choreo, an der ich aktiv mitgewirkt habe und während den Sommerferien hatte ich damals auch glücklicherweise sehr viel Zeit, um tatkräftig an den wochenlangen Vorbereitungen mitzuhelfen. Ich erinnere mich zu gut daran, wie ich am Abend vor dem Spiel vor lauter Aufregung kaum ein Auge zu bekommen habe und nach Schulende (das Spiel fand an einem Freitagabend statt) um 13 Uhr direkt zum Bahnhof bei uns im Ort gespurtet und ohne Umwege direkt nach Littenweiler gefahren bin, da wir uns für die genaue Planung der Durchführung sehr früh am Stadion getroffen haben. Je näher das Spiel rückte, desto aufgeregter wurde ich und kurz vor dem Einlaufen der Mannschaften war es dann endlich soweit. Alle Beteiligten waren auf ihren Positionen und das Tor zwischen Nord- und Osttribüne wurde für eine Hand voll Kollegen und mich geöffnet, damit wir das eingewickelte Spruchband am Zaun lösen und herunterlassen konnten. Schließlich kniete ich dann hinter der Eckfahne zwischen Nord- und Haupttribüne nieder und hielt das Spruchband am unteren Eck fest, um es vor Windstößen zu schützen und blickte ins bis auf den Gästebereich ausverkaufte Dreisamstadion. Es war ein Moment für die Ewigkeit. Alle Tribünen jubelten den Mannschaften und irgendwie auch uns für die gelungene Choreografie zu. Zudem dröhnte „Für uns immer vorn!“ von Red Button aus den Stadionlautsprechern. Die wochenlangen Planungen, das tagelange Basteln, der komplette Einsatz entlud sich in dieser zwei Minuten andauernden Choreografie in ein Gefühl voller Stolz. Stolz auf den großartigen Sport-Club Freiburg e.V. und eben auch auf das magische Dreisamstadion.

Und das ist eben auch das, was die Schwarzwaldstraße 193 für mich bedeutet und ausmacht.
Bedarf das Ausarbeiten einer Choreo oder das Malen neuer Fahnen noch so viel Mühe oder würde ich ein drittes Mal aus dem Stadion gehen, nachdem Werder Bremen erneut mit 0:6 bei uns gewonnen hat (was zugegebenermaßen heute doch sehr unwahrscheinlich ist) – es spielt keine Rolle. Ich werde mit dem SC immer und immer wieder leiden und ich werde auch noch des Öfteren stundenlang auf dem Boden knien, um die nächste Choreo zu basteln, weil ich stolz auf diesen außergewöhnlichen Verein und nicht zuletzt auf dieses unverwechselbare Stadion bin, das in keiner Weise den Ansprüchen des sogenannten modernen Fußballs entspricht, dafür aber mit speziellem Charme und beispielloser Atmosphäre den Verein zu dem gemacht hat, was er heute ist: Familiär, bodenständig, einzigartig. Und irgendwo trifft das auch auf die Besucher und Fans im Dreisamstadion zu, zumindest geht es mir so. Die Art und Weise wie man von diesem Ort geprägt wurde und an ihm Erfahrungen gesammelt hat, hat sich auch außerhalb des Stadions niedergeschlagen und in verschiedenen Alltagssituationen wiedergespiegelt.

Fußball ist mehr, als 90 Minuten und das Dreisamstadion eben mehr als ein Bauwerk, in dem alle 14 Tage ein Fußballspiel stattfindet. Es ist ein wahrer Anker geworden, der fehlen wird, weil er seine Spuren im Sand hinterlassen und mir unglaublich viel gegeben hat.

Hier bin ich irgendwie groß und doch nie erwachsen geworden. Mit einem Tränchen im Auge kann ich nur sagen: Danke für Alles, altes Haus und mach’s gut!

ÜBER DEN AUTOR

Der Verfasser des Textes ist 21 Jahre alt und Mitglied der Fangruppe Immmer wieder Freiburg (IWF)